Now arriving in… Berlin

Berlin ist die Hauptstadt der Entwurzelten
Image by Tom from Pixabay

Nach fast 2 Jahren bin ich noch immer nicht in Berlin angekommen. Mir war natürlich bewusst, dass man nicht von einem Tag auf den anderen irgendwo ankommt.
Schliesslich war ich es ja gewohnt diesen Prozess zu durchlaufen. Im Laufe meines bisher kurzen Lebens bin ich bereits mehrmals in dieser Situation gewesen. Ich habe in jeder Ecke Dänemarks gewohnt. Zeitweise war ich in Belize. Und ich habe unzählige Reisen vorgenommen, auch für längere Zeit. Irgendwie habe ich mich überall wohlgefühlt. Berlin scheint die Ausnahme zu sein.

Eigentlich ist mein Lebensmotto ja, dass zu Hause kein Ort ist. Eher ein Punkt im Raum-Zeit Kontinuum, wo ich von guten Menschen umgeben bin bin und ich erfüllt bin mit dem was ich tue. Dabei spielt es keine Rolle, ob die geografische Lage den Namen Vindbyholt oder Monkey River trägt.

Dennoch ist mein Motto in Berlin stark herausgefordert. Ich finde es wahnsinnig schwer, sich in Berlin wohlzufühlen. Noch nie war es so schwer einen Anknüpfpunkt zu finden. Vielleicht bin ich zu speziell für diesen Ort. Im Volkspark Friedrichshain Gras zu rauchen war noch nie etwas, wofür ich mich begeistern konnte. Clubs und Bars sind die Hölle für mich. Irgendwie bin ich angetan davon tiefe Beziehungen mit Menschen einzugehen, die sich aktiv betätigen, oder sich in wirklich in etwas vertiefen wollen. 

Die Hauptstadt der Entwurzelten

Über Meetups habe ich nur sehr wenige dieser Menschen kennengelernt. Man hat den Eindruck, als ob alle diese Stadt nur als Durchreisestation betrachten. Berlin ist sozusagen die mentale Transithalle fürs Leben. Man trifft Leute und sofort brennt sich ein Bild auf der Retina ein, wie ihr mentaler Koffer schon gepackt für das nächste Ziel ist. 

Unter diesen Umständen ist es mit Bindung halt schwierig. Irgendwie wird immer nur an der Oberfläche gekratzt. In meinen 2 Jahren habe ich nur selten erlebt, dass jemand in einer Meetup Gruppe mehrmals erscheint. 

Aber Freundschaften werden halt auch durch Kontinuität geschaffen. Dazu muss man Wurzeln schlagen können und wollen. 

Die Kommodifizierung, welche im Kapitalismus allgegenwärtig ist, macht jedoch auch vor menschlischen Beziehungen nicht halt. Dazu kommt, dass Berlin entwurzelte Menschen regelrecht anzuziehen scheint. Geschichtlich gesehen war Berlin schon seit langer Zeit Zielort für Angehörige der Bohème und für verwirrte Existenzen. Es gibt nur wenige Orte, wo man so viele Menschen mit so viel emotionalen Gepäckstücken auf so engen Raum finden kann. Antropolisch spannend, aber zum Leben herausfordernd.

Das hat dazu geführt, dass in Berlin extrem viel Kreativität vorhanden ist. Aber auf Kosten der Stabilität.

Ich glaube selbst, dass ich halt irgendwo dazwischen liege. Ich brauche die Stabiliät eines Stahlbalkens, der aber dennoch mit Graffiti besprüht ist. Vielleicht ist Berlin einfach nur eine gute Stadt für Menschen zwischen 18 und 29 Jahren ist, die noch viel rumexperimentieren wollen. Aber für Leute über 40+ bietet Berlin nur wenig Platz, wenn man weiß wer man ist und wofür man steht.

Berlin widerlegt mein Motto

Zugegeben insgeheim ist Berlin für mich selbst Berlin nur eine Durchgangsstation. Vielleicht möchte ich gar nicht hier ankommen? Und womöglich geht es vielen Berlinern ebenso. Deshalb scheint es auch niemanden zu stören, dass die Infrastruktur zerfällt und es überall aussieht wie in einem Partykeller am Tag danach. Der Mischgeruch aus Gras und Urin ist auch eine unverwechselbare Marke Berlins. Eau de Berlin, halt.

Ich habe mit der Idee abgeschlossen, dass Berlin mein zu Hause wird. Ein eklatanter Widerspruch zu meinem Motto von oben. Geographie hat wohl doch eine gewisse Bedeutung. Aber es läuft eben dennoch darauf hinaus, dass wir unser zu Hause selbst schaffen müssen. Mit unserer mentalen Grundeinstellung und unseren Werten. Indem wir nach unseren Werten Leben und Menschen um uns herum haben, die diese Werte teilen.
Und manchmal ist es an bestimmten geographischen Orten leichter dies zu wollen, als an anderen. Berlin ist für mich keiner dieser Orte.

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Alex

Alex

I am from Germany but have spent more than half of my life in Denmark, and other places abroad. I have a background in teaching, both youngsters and adults. I am interested in a wide field of things, which I love to teach and write about. Sustainability, technology, politics, social change, and mental health are just some examples.

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