Die Tomate

Langsam schnitt er die Tomate mit dem Messer auf und entfernte die Kerne aus dem Inneren. Während er die Kerne vorsichtig in den Topf verpflanzte, und mit Erde zudeckte, malte er sich bereits aus wie es sich anfühlen würde, wenn er in wenigen Monaten die ersten Tomaten ernten würde.

Eine einzelne Tomate

Dies erschien in der Tat ein besonderer Moment für ihn zu sein. Er hatte großes Glück gehabt, als er in den Ruinen der alten Gärtnerei diese einzelne Tomate fand, die er nun ausschlachtete. Er war sich auch gar nicht mehr so sicher, wie Tomaten eigentlich schmecken. Es war schon einige Jahre her, als er das Letzte mal eine zu sich genommen hatte.

Heutzutage war man ja darauf angewiesen, das zu Essen, was der eigene Garten hergab. Wenn man Glück hatte und Teil einer größeren Gemeinschaft war, hatte man natürlich mehr Möglichkeiten, um Essen anzubauen und die Arbeit zu organisieren. Für ihn war das nicht der Fall.

Die meisten Menschen aus seinem Dorf waren schon lange fortgezogen.
Er war sich nicht mal sicher, ob überhaupt noch jemand in dieser Gegend lebte. Er konnte es den Menschen ja nicht verdenken. Er hatte selbst lange überlegt, ob er seine Sachen packen sollte. Aber er hatte ja eh keine Ahnung, wohin er gehen sollte. Manchmal hörte man noch Geschichten von Gemeinden, die die Herausforderungen, welche das wechselnde Klima und die anhaltenden Resourcenkriege mit sich brachten, gut überstanden hatten. Aber er hatte keine Ahnung, ob diese Erzählungen Märchen waren oder der Wahrheit entsprachen.

Nun war er also auf sich allein gestellt. Alles was ihm geblieben war, waren dieses alte Haus und ein bisschen Land, auf dem er sein Essen anbaute.

In einer solchen Situation war es absolut notwendig, sich über die kleinsten Erfolge zu freuen und das Glück in kleinsten EEreignissen zu finden. Er genoß es, in seinem Gemüsegarten zu arbeiten, und in den Tag hineinzuleben. Und jetzt hatte er obendrein noch diese Tomate gefunden. Ein seltener Fund, den man nicht verschwenden sollte. Natürlich würder er versuchen, daraus weitere Pflanzen zu züchten.

Eigentlich war er gut versorgt. Er hatte schon immer enen erfinderischen Geist gehabt. Im Laufe der Zeit hatte er es geschafft die abenteuerlichsten Konstruktionen und Anbauten zu errichten. Und alles mit Materialien, welche er in den umliegenden, verlassenen Gebäuden und in der Natur gefunden hatte.

Es war ihm sogar gelungen ein Stück der alten Zivilisation wieder herzustellen. Er hatte Strom, fließendes Wasser, und sogar eine eigene Schilfkläranlage. Sein Gemüsegarten hatte ein Gewächshaus, zusammengezimmert aus alten Fenstern und Türen, wo die Tomatenpflanzen ihr neues Zuhause finden würden.

Aber demnnoch war diese Tomate etwas besonderes. Sie war wie ein Symbol dafür, das alles wieder zum Alten zurückkehren konnte. Oder zumindest, dass man Stück für Stück wieder einen Platz auf dieser Welt erschaffen konnte. Ja, genau das war es. Die Tomate war ein Stück der Vielfalt, welche auf seinen Speisplan zurückkehren würde. Eine Vielfalt nach der er sich trotz aller seiner Errungenschaften gesehnt hatte.

Der letzte Kern wanderte in den letzten Topf. Es war soweit. Vorsichtig platzierte er die Töpfe auf der Fensterbank und gab ihnen etwas Wasser.