Die Bank
Der Platz hatte längst seinen früheren Glanz verloren. Unter dem Baum in der Mitte stand noch eine verwitterte Bank. Er beschloss, sich kurz hinzusetzen und sich auszuruhen.
Er war oft hier. Meist dachte er dabei an eine längst vergangene Zeit. Damals war die Stadt noch voller Leben. Jeden Samstag rannten die Leute in die Konsumtempel, welche die angrenzenden Straßen säumten. In den Cafés räkelten sich Menschen aus allen Schichten, um den Macchiato Gott zu würdigen.
Er war auch des Öfteren unter diesen Jüngern auf dem Bürgersteig zu finden. Meist saß er dann auf genau dieser Bank.
Dabei war das gar nicht allzu lange her. Jedenfalls nicht lang genug, dass die Erinnerung noch nicht verblasst war.
Es ging halt alles sehr schnell. Noch vor der Pandemie schien alles in bester Ordnung. Aber die Risse in der heilen Welt wurden immer deutlicher. Die Warenhäuser und Supermärkte schienen leerer als früher. Die Nachrichten beschwichtigen die Menschen, dass das alles nur bedauerliche Einzelfälle waren.
Ein festgefahrenes Frachtschiff hier, ein Streik dort. Zwischendurch regionale Kriege. Das Gleichgewicht konnte nicht wiederhergestellt werden. Selbst grundlegende Nahrungsmittel wurden exorbitant teuer oder verschwanden ganz.
Die Cafés wurden leerer, weil es sich keiner mehr leisten konnte. Der Nachschub an teuren Konsumgütern blieb aus, und mit ihnen die Nachfrage.
Viele hatten Schwierigkeiten sich mit der Situation abzufinden. Irgendwann ging es ganz rapide bergab. Menschen wurden kränker, die Obdachlosen sammelten sich in den Straßen und Plätzen. Das Gesundheitssystem war der Aufgabe nicht gewachsen. Die Todesfälle stiegen, und mit ihr schrumpfte die Bevölkerung. Wer weggehen konnte, suchte sein Glück anderswo.
Die besten Chancen hatten die ohne zwei linke Hände. Schließlich half auch die beste Marketingidee nicht mehr um Essen auf den Tisch zu bringen.
Wer etwas von Pflanzenpflege verstand, konnte immerhin selbst etwas anbauen. Er war glücklich, dass er diese Fähigkeit hatte.
Land gab es ja jetzt genug.
Er wusste nicht, wie viele überhaupt noch in der Stadt lebten. Es spielte auch keine Rolle mehr. Die einzigen Menschen in seinem Umfeld waren die, mit welchen er seine Lebensgemeinschaft gegründet hatte.
Die Villa in der Stadtmitte war groß genug für alle. Und der Garten bot genug Platz, um sich selbst versorgen zu können.Die verlassene Villa in der Stadtmitte war groß genug für alle. Und der Garten bot genug Platz, um sich selbst versorgen zu können.
Er war dankbar dafür zu leben. Und er war dankbar dafür, dass die kleine Gemeinschaft zu funktionieren schien. Auf viel mehr konnte man sich nicht verlassen. Nicht auf die Zukunft. Schon gar nicht auf irgendeine Regierung. Wenn es sie überhaupt noch gab.
Er schaute zur Sonne herauf. Es war Zeit zurückzugehen. Seine Arbeit wartete auf ihn. Und später wollte er ja noch das verstaubte Brettspiel mit den anderen ausprobieren, das er im Keller gefunden hatte.
Langsam erhob er sich von der Bank und verschwand kurze Zeit später hinter dem baufälligen Kaufhaus.